Abschiedskonzert für Volker Wohlgemuth

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Volker Wohlgemuth beim Konzert der Bigband. Zum letzten Mal hat er seine Musiker dirigiert (Foto: J. Sander).

von Jürgen Ackmann (Bersenbrücker Kreisblatt)

Wie Volker Wohlgemuth 36 Jahre lang die Musik an der IGS Fürstenau geprägt hat – Start in Zeiten der „Lehrerschwemme“

Abschiedskonzert:Volker Wohlgemuth gab den Dirigentenstab an Dr. Katharina Moschner-Rahe und Sebastian Metken weiter (Foto: K. Isfort).

 

Volker Wohlgemuth – Dieser Name steht für die Bigband der IGS Fürstenau, für die Bläserklassen, für ein Leben mit der Musik. Nach 36 Jahren an der Schule verabschiedet sich der Musik- und Kunstlehrer in den Ruhestand. Dabei war sein Start ins Pädagogen-Leben nicht einfach.
Ein Leben ohne Musik kann sich Volker Wohlgemuth nicht vorstellen. Seine Eltern, seine Geschwister, die Großeltern – alle haben musiziert. Ein kleines Orchester hat die Familie gebildet, zu Hause gespielt, in der Kirche Akzente gesetzt – in Bremen. Dort hat Volker Wohlgemuth 1977 sein Abitur gemacht, seinen Zivildienst bei der Johanniter-Unfallhilfe als Rettungssanitäter abgeleistet und im Knabenchor und später im Brahms-Chor gesungen.
Lehrer wollte er werden; wie viele andere auch. An der Uni Oldenburg machte er eine „einphasige Ausbildung“, also Studium und Referendariat in einem Zug – keine Trennung von Studium und Praxis. 1985 hatte Volker Wohlgemuth sein Staatsexamen in der Tasche. Die berufliche Zukunft war ungewiss.
„Lehrerschwemme“ nannte sich das Ganze. Die Dezernenten der Landesschulbehörde waren ablehnend bis schroff. Freie Vollzeit-Stellen waren nicht mal mit der Lupe zu entdecken. Volker Wohlgemuth versuchte es dennoch trat 1985 für ein Jahr eine halbe Stelle in Lübeck an. Dabei wohnte er zu dieser Zeit mit seiner Frau, einer Floristin, in Cloppenburg.

268 Kilometer zum Unterricht nach Lübeck

Die Kilometerzahl, die Volker Wohlgemuth oft nur für eine Unterrichtsstunde in Lübeck in Kauf nahm, weiß er noch heute: 268 – pro Weg. Mit der Bahn hat er die Strecke zurückgelegt, ist um vier Uhr aufgestanden, wollte trotz aller Widrigkeiten Lehrer werden. Heute würden angehende Pädagogen abwinken. Damals war das anders.
1986 die überraschende Wende: Nach vielen Absagen riefen die Eltern von Volker Wohlgemuth ihn im Urlaub an. Gar nicht so einfach: Smartphones existierten nur als Theorie in den Köpfen einiger Wissenschaftler. „Fürstenau“, sagten die Eltern. IGS – eine Schule, die es gerade mal 15 Jahre gab; ein wenig anders, ein wenig gegen den Strom.
Volker Wohlgemuth schaute auf der Landkarte nach, fand Fürstenau und stellte sich vor. „Wollen Sie einen Job an so einer Schule?“, fragten ihn die beiden zuständigen Dezernenten. Volker Wohlgemuth wollte. 36 Jahre sollte er bleiben und der „Job“ ihm zur Berufung werden.
Helmut Reiter sei damals nach dem plötzlichen Tod von Thilo Hermann kommissarischer Schulleiter gewesen, erinnert sich Volker Wohlgemuth – eine besondere Zeit. Der Bremer lebte sich dennoch schnell an der IGS ein, übernahm 1987 das Amt des Fachobmannes für Musik und rief ein Schulorchester ins Leben – nicht nur mit Schülerinnen und Schülern besetzt, sondern auch mit Eltern und Lehrer:innen. Mit solchen Konstellationen kannte sich Volker Wohlgemuth qua Bremer Musiksozialisation aus. 1989 folgte die Verbeamtung, aber kein Ruhekissen; stattdessen 1999 der Start der ersten Bläserklasse, organisiert innerhalb eines halben Jahres. Viel Arbeit, zumal Volker Wohlgemuth das Geld für die Musikinstrumente erst einmal einsammeln musste. 7000 D-Mark gaben Firmen, Banken und das Kollegium.
Ein Jahr später nahm die Bigband ihre Arbeit auf, dirigiert von Volker Wohlgemuth, der sich für das Projekt zusätzlich auf das Saxofon spezialisierte. Sein Hauptinstrument ist die Geige, aber die passte nicht zum geplanten Bigband-Sound.
Ungezählte Auftritte mit Bläserklassen, Schulorchester, Bigband hat Volker Wohlgemuth hingelegt – nicht nur in Fürstenau, auch in Hannover, Hildesheim oder Leer. Immer im Hinterkopf: jungen Menschen, die von zu Hause keinen Zugang zur Musik haben, besondere Erlebnisse zu verschaffen. „Wer selbst Musik macht, kann auch das Musizieren anderer besser bewerten, wertschätzen und beurteilen“, so Volker Wohlgemuth.
Besonders gern erinnert sich Volker Wohlgemuth an das Comenius-Projekt in den Jahren von 2008 bis 2010 mit Schülern aus dem finnischen Savonlinna, dem türkischen Çanakkale und dem polnischen Garwolin. Zusammen mit seinem Kollegen Frank Pampel schrieb er an einem Musical, ging mit den Schüler:innen auf Tour und knüpfte viele neue musikalische Kontakte.

Musizieren als Herzensangelegenheit

„Das Musizieren mit Schülern war für mich immer eine Herzensangelegenheit“, sagt Volker Wohlgemuth. Viele Jungen und Mädchen aus den Bläserklassen, die ab der 7. Klasse im Orchester oder der Bigband gespielt hätten, habe er neun Jahre lang begleitet, fast die Hälfte ihre Lebens bis zum Abitur.
Dass sich da Freundschaften gebildet und verfestigt haben, zeigte das Konzert vor wenigen Wochen in der Aula der IGS. Volker Wohlgemuth stand ein letztes Mal am Dirigentenpult, vor ihm 50 aktive Musiker:innen und 30 Ehemalige, die vor mehr als einem Jahrzehnt die IGS verlassen haben. Viele Emotionen begleiteten das Konzert.
Volker Wohlgemuth wird trotz seines anstehenden Ruhestandes der Bigband treu bleiben. Nicht als Dirigent, aber als Musiker, der sich dirigieren lässt. „Ich werde gerne einspringen“, sagt der 65-Jährige. Vorne stehen werden künftig Dr. Katharina Moschner-Rahe (Gesang, Querflöte) und Sebastian Metken (Schlagzeug).
Außerdem wird Volker Wohlgemuth noch eine Weile die Sanierung der IGS begleiten. Er ist Mitglied der Planungsgruppe um Schulleiter Jürgen Sander und Stellvertreter Josef Thale. Wenn Zeit bleibt, wird er von Eggermühlen aus Ausflüge mit dem Wohnmobil machen. Immer im Kopf: die Musik – und sicher auch die Erinnerung an eine bunte, lebendige Schülerschaft und viele engagierte Kolleg:innen. Das habe er an der IGS immer geschätzt.